Galeríe Jena


Zwischen Welten -Kontinenten - Sprachen

In einer mitteldeutschen Stadt treffen sich jeweils eine Woche im Januar und im April eine Gruppe aus PädagogInnenen und 70 Jugendliche aus Deutschland, Belgien und Polen mit einem kolumbianischen Maler, Alberto Jerez, aus Süddeutschland auf Einladung des Vereines "Eine-Welt-Haus Jena" und arbeiten gemeinsam an einem Kunstprojekt zum Thema Globalisierung und Wasser: "Wem gehört das Wasser". Es entsteht ein kollektive Wandbild von 80m x 1,5m zusammen mit dem Maler Francisco Javier Sanchez aus Nicaragua auf einer der "Adern" Jenas, den riesigen Heizungsrohren, die quer durch die Stadt laufen.
In einer ersten Etappe nähern sich die Mädchen und Jungen im Alten von 14 bis 17 Jahren dem Thema: Wer sind wir, woher kommen wir. Was ist Muralismo in Lateinamerika, welche politische Bedeutung und Wirkung haben Wandbilder in der Geschichte (z.B. in Chile, in Nicaragua, aber auch in Irland). Die Jugendlichen kommen mit ihren eigenen Geschichten, mit ihrer Herkunft, was hat sie bewegt, sich auf ein solche Experiment einzulassen. Manche, so stellt sich heraus, haben noch nie mit Farbe und Pinsel gemalt. Vorstellbar? In der teilnehmenden belgischen Schule aus Verviera wird Kunst als Fach nicht unterrichtet. Was assoziieren die Jugendlichen mit Wasser, mit Privatisierung von Wasser, mit globalen Themen wie Ökologie und eine gerechte Welt. Die Schülerinnen und Schüler aus Wroclow in Polen gehen in die Privatschule Fundation Education Miedzynavodowej. Die beteiligten deutschen Jugendlichen besuchen die Jenaplanschule, die Walddorfschule und das Christliche Gymnasium.
Unter Anleitung von Alberto Jerez entstehen in Gruppen- und Einzelarbeit erste Bilderfolgen, Sentenzen, Annäherungen. Der Austausch über das Entstandene erfolgt offen im Plenum. So wächst allmählich die Gruppe zusammen, es wächst ein Gefühl für die gemeinsame Arbeit, es kristallisiert sich eine gemeinsam getragene Botschaft heraus. Deutsch, Französisch, Polnisch und Spanisch schwirrt durch die Räume, das gesprochene Wort, Zeichensprache - aber das entscheidende Medium für Verstehen und Verständigung sind die Bilder.
Am Ende der ersten Woche werden die Arbeiten im Rathaus von Jena dem Bürgermeister und den Projektverantwortlichen aus der Verwaltung präsentiert.

Im April treffen sich alle wieder. Neu dabei ist Javier Sanchez. Der vierzigjährige Maler ist direkt aus Nicaragua eingeladen worden, die Arbeit vor Ort an dem Heizungsrohr anzuleiten. Er bringt seine Erfahrung in der Ausarbeitung von Wandbilder aus der Zeit des Sandinismus ein. Er kommt aus San Marcos, der Partnerstadt von Jena. Noch ein Brückenschlag zwischen den Welten. Angesichts der Arbeiten der SchülerInnen verzichtet er auf eine eigene künstlerische Ausarbeitung zum Thema - nicht weil ihm die Arbeit zu viel ist, sondern aus Respekt und innerer Überzeugung, dass die Jugendlichen in einem kollektiven Prozess zu ihrer eigenen Bildersprache und Botschaft gefunden haben und dies nicht beschnitten werden soll. Und weil alle 70 Jugendliche wieder mit dabei sind und sich mit Feuereifer an die Arbeit machen - trotz Regen und kühlem Wetter - ist das Werk nach fünf Tagen zur Überraschung der Organisatoren fertig. Die Mädchen und Jungen arbeiten Hand in Hand und stellen ihre Entwürfe für ein Ganzes zur Verfügung. So wird es für alle Beteiligten eine tiefe Erfahrung von Freundschaft und Verstehen über die Verschiedenheit der Kulturen, über die Barrieren von Sprache und Alter hinweg. Eine Erfahrung, das eine andere Welt möglich ist, wenn wir uns einlassen, auf einen schöpferischen und grenzüberschreitenden Prozess der Begegnung und des Lernens.
Was ist die Antwort auf die Frage: "Wem gehört das Wasser?"
Die beiden Künstler Javier Sanchez und Alberto Jerez formulieren das so: "Es ist an der Zeit, den Menschen weltweit klarzumachen, in welcher unbeschreiblichen Weise heute mit dem Gut Wasser umgegangen wird; nicht nur wird Wasser, das mehr als ein Rohstoff die Grundlage allen Lebens ist, im ungeheuerlichen Ausmass verschwendet, vergeudet oder durch Umweltgifte verschmutzt und ungenießbar gemacht, während sich in großen Teilen der Erde die Wüsten immer weiter ausbreiten, sondern wird auch zunehmend zu einer Ware. Wer die Wasserquellen in Zukunft besitzen wird, hat die Welt in der Hand - und damit das Leben und die Würde aller. Dies öffentlich zu machen und ins Bewußtsein zu bringen, zur Auseinandersetzung anregen, dazu will das gemeinsame Kunstprojekt in Jena beitragen.
Text: Marina Wieland im Gespräch mit Alberto Jerez und Javier Sanchez


Das Projekt : Wandbild Wasser Botschaft: Wen gehört das Wasser? wurde von Eine-Welt-Haus e.V. in Jena ins Leben gerufen, und durch das EU-Förderprogramm "Capacity Buildung" im Rahmen von entwicklungspolitischen Maßnahmen. Das Projekt ist ein Teil der Initiative "Wandbilder für nachhaltige Entwicklung in die Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg Vorpommern" in Kooperation mit lokalen Gruppen aus dem europäischen Ausland wie Belgien und Polen
Wandbilder mit politischer Themenstellung an öffentlichen Gebäuden sind hervorragend geeignet in einer Stadt oder Gemeinde eine öffentliche Diskussion zu Themen wie gerechte und nachhaltige Wirtschaftstrukturen in einer globalisierten Welt anzuregen und/oder bestimmte politische Kampagnen (z.B. zur Unterstützung des Fairer Handel) in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit zu unterstützen
Eine-Welt-Haus e.V. in Jena ist eine Organisation, die sich im mitteldeutschen Raum mit entwicklungspolitisch relevanten Themen auseinandersetzt und versucht, diese in das öffentliche Bewusstsein zu tragen. Ein Wandbild-Projekt, wie hier vorgeschlagen war, stärkt vor allem die öffentliche Wirkung der Aktivitäten dieser Gruppen.
Gruppen von Schülern und Studenten, aber auch Grafitti-Vereine, die z.B. im Zeichenunterricht sich mit Wandmalerei auseinandersetzen, werden angeregt und befähigt wieder verstärkt politische Botschaften in ihre Werke einzubeziehen. Damit wird die künstlerische Verarbeitung politischer Themen gefördert.
Die zentrale entwicklungspolitische Botschaft des Projektes liegt in der künstlerischen und öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex nachhaltige Entwicklung durch gerechte und ökologisch nachhaltige Wirtschaftsstrukturen und ist eingebunden in das kommunale Programm "Adern für Jena", das die Rohre, die mit Heißwasser durch Jena führen, integrieren will in den Lebensraum Stadt.

Die Schulen aus Jena:
Jenaplanschule
Christliches Gymnasium
Waldorfschule
Schule aus Belgien: Internationale Schule aus Verviera
Schule aus Polen: Fundation Education Miedzynavodowej aus Wroclow

www.welthaus-jena.de


Marina Wieland